Es war anfangs 2014. Ich reiste auf einem Kreuzfahrtschiff von Athen nach Singapur und genoss die Vielfalt an Kulturen, Menschen und Erlebnissen. Mein Sabbatical neigte sich dem Ende zu und vermehrt beschäftigten mich Gedanken über meine mögliche berufliche Zukunft.
Die Selbständigkeit übte schon lange einen Reiz auf mich aus: Abwechslung, Freiheit, Entscheide selbst treffen, Unabhängigkeit und Geld in die eigene Tasche verdienen.
Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt schon über 10 Jahre als selbständiger Berater tätig und ich habe die Höhen und Tiefen hautnah erlebt: Wenn zeitweise das Bett kaum berührt wird und dann wieder wochenlang kein Auftrag in Sicht ist.
Selbständigkeit bedeutet, für alles selbst die Verantwortung übernehmen können und müssen – und das zieht mich noch heute magisch an.
Die ersten Schritte in der Selbständigkeit
Mein Bankkonto stand nach 9 Monaten Auszeit eher auf Ebbe als auf Flut. Ich hatte auch kein Mandat in Aussicht. Es war ein kompletter Kaltstart.
Deshalb entschied ich mich, eine Einzelfirma mit Eintrag ins Handelsregister zu gründen. Die erste Idee? Ich berate Firmen im Bereich Controlling und unterstütze in Projekten – zum Beispiel bei der Einführung eines ERP-Systems. Das Thema Interim Management kam dann auch schon bald in meinen Dunstkreis, weil immer mehr Teams vakante Führungspositionen für eine befristete Zeit besetzen wollten.
Der Handelsregistereintrag sollte meine Professionalität unterstreichen. Tipps und Tricks erhielt ich von meinem Vater. Er war mein Sparring Partner und mein Vorbild.
Und damit habe ich einfach losgelegt. Das hängt mit meiner Persönlichkeit zusammen – ich bin eine Macherin. Wenn sich etwas richtig anfühlt, dann starte ich ohne ellenlange Checklisten und abwägen. Ich war mir des Risikos bewusst, aber nahm es in Kauf. Es gibt ja nie den perfekten Zeitpunkt für nichts.
Startkapital
Ich habe mit weniger als CHF 20’000 und ohne andere Einkommensquelle gestartet. Ja, das mag ganz schön mutig erscheinen. Ist es wahrscheinlich auch. Aber ich bin jemand, der sich sehr gut einschränken und mit wenig Geld auskommen kann. Alle privaten Ausgaben hielt ich auf einem absoluten Minimum: keinen Ausgang, keine Restaurantbesuche, ÖV statt Auto.
Und meine beruflichen Ausgaben? Als Beraterin benötigte ich in erster Linie einen Laptop. Ausserdem habe ich Versicherungen abgeschlossen – aufgrund meiner Krankheitsgeschichte war ich da schon immer sensibilisiert. Dazu kamen Mitgliedschaften bei der Handelskammer und Xing. Und selbstverständlich ein separates Bankkonto. Für mich ist es ein Muss, um die Übersicht zu behalten. Und damals gab es noch genügend Kontomöglichkeiten ohne Gebühren.
Eine GmbH konnte ich zu Beginn noch nicht gründen, weil für mich die finanzielle Beteiligung von einem oder mehreren Gesellschaftern nicht in Frage kam.
Mit dieser dünnen Finanzdecke musste ein Sicherheitsnetz her, denn vom Zeitpunkt der Akquise eines Auftrags bis zur Zahlung der Rechnung können schnell 3 – 4 Monate vergehen. Meine Eltern hatten mir zugesagt, dass sie mir im Notfall ein Darlehen geben würden. Soweit ist es zum Glück nie gekommen.
Sichtbarkeit
Nun mussten also potenzielle Kunden wissen, was ich da so treibe.
Für mich war von Beginn weg klar, dass ich eine Webseite möchte. Ja, das ist keine Voraussetzung für Erfolg. Für mich fühlte es sich richtig an. Wie sich später herausstellte, habe ich mich genau damit von anderen Dienstleistern unterschieden, denn eine Website war dazumal keine Selbstverständlichkeit.
Dazu habe ich mindestens 1 – 2 Mal pro Woche an einem kostenlosen Anlass teilgenommen, an dem ich mein Netzwerk aufbaute. Ich habe mich dabei auf drei verschiedene Gruppen von Menschen konzentriert, mit denen ich in Kontakt treten wollte:
- Potenzielle Kunden, um möglichst schnell an einen Auftrag zu kommen
- Menschen, die das gleiche oder ähnliche Angebot wie ich haben, damit ich mich austauschen kann
- Menschen, von denen ich in irgendeiner Form fachlich oder menschlich profitieren kann
Akquise
Auch wenn ich zeitweise im Verkauf gearbeitet hatte – Kunden musste ich nie akquirieren. Wie mache ich denn das?
Ohne Akquise kein Umsatz, ohne Umsatz kein Gewinn und kein Lohn. Also hiess es: Klinken putzen.
Ich habe Menschen aus meinem Netzwerk angeschrieben und angerufen. Ihnen geschildert, welche Dienstleistungen ich erbringe und unter welchen Umständen ich sie unterstützen könnte. Powerpoint Präsentationen gehalten, Visitenkarten verteilt auf meine Webseite verwiesen. Der persönliche Kontakt erwies sich als äusserst wichtig, weil meine Dienstleistung und gerade auch das Interim Management Erklärungen bedurften. Für viele Entscheidungsträger war der Nutzen nicht gleich ersichtlich.
Habe ich das gerne gemacht? Jein. Ich habe es geliebt, über Controlling zu sprechen und welche unternehmerischen Vorteile ein optimal aufgesetztes Controlling bietet. Aber ganz gezielt mich und meine Stärken zu verkaufen – das fiel mir schwer. Und tut es auch heute manchmal noch.
Mein erstes Mandat kam aus meinem ehemaligen Angestelltenverhältnis. Ein Projekt, in das ich damals als Mitarbeitende eingebunden war, geriet nach meinem Weggang ins Stocken. Ich durfte es als Freelancer zu Ende bringen. Was für ein toller und wertschätzender Einstieg in meine Selbständigkeit!
Für das zweite Mandat wurde ich von einem Bekannten aus meinem privaten Umfeld kontaktiert. Ja, auch das gibt es selbstverständlich. Funktioniert aber nur, wenn die Menschen auch wissen, was du anbietest.
Mittlerweile profitiere ich stark von Empfehlungen und Reaktivierungen, sofern die Zusammenarbeit gepasst hat.
Mein Business steht und fällt damit, dass ich finde und gefunden werde, einen guten Job erledige und bei der Kontaktperson im Gedächtnis bleibe.
Wenn ein möglicher Kunde einen Ressourcenengpass hat oder sich von einem Sparring Partner unterstützen lassen möchte, dann muss er sich sofort an mich erinnern – ich muss „top of mind“ sein.
Glaubenssätze und Fehleinschätzungen
Ich kann nicht verkaufen! Das war nicht nur lange ein Glaubenssatz von mir, sondern betrifft viele da draussen. Deshalb boomen auch Seminare und online Schulungen rund um Sichtbarkeit, Marketing und Verkauf.
Aber es gibt noch mehr Hürden. Bei mir war es zum Beispiel der Zweifel, ob meine Dienstleistung überhaupt funktioniert und gebraucht wird. Und ich verrate dir etwas: auch nach über 10 Jahren Vollzeit Selbständigkeit ohne finanzielle Unterstützung aus dem Umfeld habe ich noch ab und zu Zweifel. Da heisst es für mich: den Gedanken erkennen, akzeptieren und dann den Fokus auf die Möglichkeiten richten, die ich habe.
Ein Fun Fact aus der Anfangszeit, den ich damals selbst gar nicht lustig fand: ich sah sehr jung aus und befürchtete, dass mich deshalb niemand ernst nehmen würde. Du musst wissen, dass zu dem Zeitpunkt Berater und Interim Manager im Bereich Finanzen überwiegend Männer Ü55 mit zumindest gräulichen Haaren waren. Und dann kam ich – Ende 30, aussehend wie anfangs 30. Wie bin ich damit umgegangen? Ich habe es zu meinem Alleinstellungsmerkmal gemacht und schlussendlich genau auch davon profitiert.
Was würde ich anders machen?
Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden, wie mein Start in die Selbständigkeit verlaufen ist. Ich wusste sehr genau, auf was ich mich einlasse, und habe kaum böse Überraschungen erlebt. Meine Ausbildung als Betriebswirtschafterin hat definitiv geholfen und ein bisschen Glück gehört selbstverständlich auch dazu.
Ich würde rückwirkend aber sicherlich mehr auf meine Stärken achten. Ich wusste sehr genau, was ich nicht mehr wollte, konnte aber ausser meinem Alter und Geschlecht wenig aufzählen, was mich von meinen Konkurrenten abhob. Geschweige denn, was meine Werte sind, und welche meiner Stärken mich einzigartig machen. Dieses Bewusstsein hätte mir den Einstieg sicherlich erleichtert und ist heute ein Aspekt, den ich mit meinen Kunden fokussiert anschaue.
Tipps an dich für deine Selbständigkeit
Die ehrliche Motivation und dein Warum sind ausschlaggebend für eine erfolgreiche Selbständigkeit.
Denn du musst für etwas brennen, um genügend Disziplin und Schnauf für eine Selbständigkeit zu haben. Etwas «nur» gerne zu tun oder viel zu wissen, reicht nicht aus.
Ein guter Koch führt noch lange kein florierendes Restaurant – da gehört auch ganz viel Administration, Wissen zu Rahmenbedingungen und Unternehmertum dazu.
Damit komme ich zu einem weiteren wichtigen Punkt:
Sei dir nicht zu schade, andere um Hilfe zu bitten und von anderen zu lernen.
Ein Sparring Partner, Coach oder Mentor zeigt dir Perspektiven und blinde Flecken auf. Jemand aus deinem Umfeld, der bereits profitabel wirtschaftet, teilt seine Erfahrungen sicherlich gerne mit dir. Heute gibt es auch unglaublich viele Bücher und Podcasts zum Thema Selbständigkeit – ein bisschen googeln oder Chat GPT fragen und schon wirst du fündig.
Aus dem Wunsch, andere Menschen zu unterstützen, ist die Seminarreihe Startklar! entstanden.
Im kleinen Rahmen in Rheinfelden schaffen wir Klarheit über die wichtigsten Schritte auf deinem Weg in die Selbständigkeit: von der Rechtsform über Versicherungen, Preisgestaltung bis hin zu deinem persönlichen Warum. Für einen mutigen, informierten und authentischen Start.
Vielleicht ist jetzt genau der richtige Moment für dich, den Schritt in die eigene Selbständigkeit zu wagen?